Das Thema Eingewöhnung, beziehungsweise die Ängste und Sorgen, die damit einhergehen, ist bei vielen Müttern von hochsensiblen Kindern präsent. Dein Kind im Kindergarten abzugeben konfrontiert euch beide mit Trennungsschmerz und Verlustängsten. Oft ist da die große Sorge, dass die Erzieherinnen das eigene Kind nicht genug sehen, sich nicht genug kümmern und es natürlich auch viel zu wenig kennen. Von Gruppengröße oder Lautstärke ganz zu schweigen. Das sich elterliche Unsicherheit auf Kinder auswirkt, wissen wir alle. Und dennoch kannst du es als Mama nicht abstellen, dass es dir fast das Herz zerreißt, wenn sich dein Kind weinend an dich klammert, statt glücklich die Hand der Erzieherin zu ergreifen.

Ich gewöhne seit über zehn Jahren Kinder ein! Und als hochsensible Erzieherin muss ich sagen, es ist mit Abstand die anstrengendste Zeit! Aber auch eine ganz besondere, die mich immer wieder voller Bewunderung auf die Kinder blicken lässt. Was für eine Leistung sie da bringen! Was für ein unglaubliches Urvertrauen in ihnen steckt! Und wie schön es ist, wenn dich das Kind als neue Bezugsperson angenommen hat. Ja! Da hat sich dann meine Arbeit wirklich gelohnt. Und es ist Arbeit. Denn gerade die sensiblen Seelchen sind nicht immer glücklich über diese Art der Veränderung in ihrem Leben. Und es braucht von uns als Bezugspersonen viel Geduld, Austausch und Vertrauen.

Was du machen kannst, um die Eingewöhnungszeit so entspannt wie möglich zu gestalten, möchte ich dir in den kommenden 8 Punkten vorstellen

 

1. Zeit

 

Wer hätte das gedacht 😉 bei hochsensiblen Kindern ist Zeit irgendwie immer einer der wichtigsten Aspekte. So auch bei der Eingewöhnung.

In diesem Fall meine ich mit Zeit zwei unterschiedliche Dinge. Zum einen brauchst du Zeit! Für dich und dein Kind. Wenn du morgens vor dem Kindergarten schon total im Stress bist, ist das Gift für eine gute Ablösung. Wenn du im Kindergarten keine Zeit und somit Ruhe hast, dich zu richtig zu verabschieden, oder noch fünf Minuten mit deinem Kind zu spielen, ist das ebenfalls Gift. Ich empfehle dir für die ersten Wochen im Kindergarten einen guten Zeitpuffer mitzubringen.

Aber was genau so wichtig ist, ist die zeitliche Absprache mit der Erzieherin. Wie genau verläuft die Eingewöhnungszeit in der Einrichtung? Um wie viel Uhr kannst du dein Kind bringen, so dass die Bezugserzieherin auch da ist und Zeit hat? Und wann holst du dein Kind wieder ab? Je mehr Klarheit, desto sicherer wirst du dich fühlen und dein Kind auch.

 

 

2. Kuscheltier und Schnuffeltuch

 

Dein Kind wird dich und sein zu Hause vermissen! Daran kann erstmal niemand etwas ändern. Aber du kannst ihm helfen sich mit dir verbunden zu fühlen, obwohl du nicht da bist.

Überlegt zusammen welches Kuscheltier, Schnuffeltuch, oder vielleicht auch ein Schal von dir (der nach dir riecht) dein Kind mitnehmen kann. Diese Gegenstände haben am Anfang in einer neuen Umgebung eine große Bedeutung! Und es ist so tröstend, wenn man traurig ist, dass man mit etwas kuscheln kann.

 

 

3. Beziehung zur Erzieherin

 

Es wird oft diskutiert, ob man die Hochsensibilität seines Kindes ansprechen soll. Aus meiner Perspektive als Erzieherin kann ich nur ganz klar JA sagen. In welchen Worten das am Besten geschieht und ob man es als Hochsensibilität bezeichnet, muss jeder für sich entscheiden. Für mich als Erzieherin ist es enorm wichtig zu wissen, dass ein Kind besonders intensiv auf Geräusche reagiert, kratzige Kleidung hasst, oder sehr einfühlsam ist. Ich muss das Kind erst kennenlernen! Und du als Mama bist am Anfang meine erste Möglichkeit dazu. Also nutze sie!

Ich habe dazu auch einen Blogartikel geschrieben! Den du hier finden kannst.

Du kannst im Übrigen von einer Erzieherin nicht erwarten, dass sie dein Kind vor lauten Geräuschen in der Einrichtung beschützt! DU hast dich für diese Einrichtung entschieden. Aber die Erzieherin kann natürlich ein Auge darauf haben, rechtzeitig reagieren, oder sich das Verhalten deines Kindes besser erklären.

Dein Kind in den Kindergarten zu geben bedeutet, dass nicht mehr eine Person, oder sogar zwei Personen für dein Kind zuständig sind, sondern dass EINE Erzieherin für sechs, neun, oder mehr Kinder gleichzeitig zuständig ist.

Das ist für viele Eltern total schwierig. Dein Kind KANN nicht immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Erzieherin stehen. Das liegt nicht an ihr, sondern an dem System in dem sie arbeitet und in das du dein Kind gegeben hast. Aber eine Erzieherin möchte eigentlich immer, dass es allen gut geht 😉 und sie gibt sich die größte Mühe, sich zu zerreißen, um allen einigermaßen gerecht zu werden. Für eine gute Erziehungspartnerschaft kann ich dir nur raten, ein ehrliches und wertschätzendes Verhältnis zu der Bezugserzieherin deines Kindes aufzubauen. Statt vieler Erwachsener gibt es dafür um so mehr Kinder. Und Kinder wachsen und lernen unglaublich viel durch ihren gemeinsamen Kontakt. Eine Kita ist eine wunderbare Entwicklungschance für dein Kind!

 

4. Übergabe

 

Der schlimmste Moment! Du übergibst dein Kind an die Erzieherin und dein Kind weint und will nicht weg von dir. Die Erzieherin wird dir zu 99% das Kind irgendwann aus dem Arm nehmen und dir raten, dich kurz und schmerzlos zu verabschieden. Und das… bricht dir als Mama dann erst Recht das Herz! Dir kommen die Tränen, oder du drängst sie verzweifelt zurück. Vielleicht gehst du aus der Tür und schleichst zum Fenster, um zu sehen, was mit deinem Kind passiert. Ja, das ist wirklich keine Situation, die man sich wünschen würde. Aber sie gehört in der Eingewöhnungszeit leider oft dazu.

Bitte denke nicht, dass die Erzieherin dich nur schnell loswerden will, oder dein Verhalten doof findet.

Sie weiß aus ihrer Erfahrung heraus, dass es WIRKLICH oft besser ist, bei der Verabschiedung klar zu sein und ein Rauszögern es für das Kind oft noch schwieriger macht. Es passiert immer wieder, dass beide, Mama und Kind, sich in ihren traurigen, verzweifelten, wütenden, hilflosen Emotionen verlieren. Und hey, du hast ein hochsensibles Kind! Es spürt nicht nur seine eigenen Emotionen, sondern auch sehr gut deine Ängste und Sorgen.

Was passiert, wenn du gegangen bist? In der Regel (es sei denn du hast dir einen echt merkwürdigen Kindergarten ausgesucht;) ) wird die Erzieherin dein Kind trösten. Manche Kinder möchten auf den Arm/Schoß genommen werden, andere setzen sich neben mich als Erzieherin. Es gibt auch Kinder, die möchten erstmal alleine sein. Alles ist in Ordnung. Wichtig ist natürlich, dass die Erzieherin ein Kind, das sich zurückgezogen hat, nicht aus den Augen verliert. Manchen Kindern hilft es zu kuscheln und noch etwas zu weinen, andere lassen sich mit einem Spiel ablenken, oder durch eine Aufforderung (z.B. beim Frühstück richten helfen etc.). Hat dein Kind ein gutes Vertrauensverhältnis zu seiner Bezugserzieherin aufgebaut, wird es sich relativ schnell beruhigen. Lässt es sich nicht beruhigen, dann braucht es noch mehr Zeit!

Ich arbeite seit einigen Jahren nach dem Berliner Eingewöhnungs – Modell. Und wenn sich das Kind von der neuen Bezugsperson NICHT beruhigen lässt (nach einer dreitägigen Eingewöhnungsphase MIT der Mama), dann muss neu geplant werden! Das Kind ist noch nicht so weit, braucht mehr Zeit, mehr Vertrauen, mehr Zurechtfinden in der Kita, oder etwas anderes. Je besser dein Kontakt zur der Bezugserzieherin deines Kindes ist, desto besser könnt ihr euch austauschen und die Eingewöhnungszeit planen.

Eine Möglichkeit, um nicht den ganzen Tag mit einem schlechten Gewissen herumzulaufen ist, mit der Erzieherin auszumachen, dass du in einer halben Stunde kurz anrufen kannst, um zu hören, wie es deinem Kind geht.

 

5. Rituale

 

Ja da sind sie wieder. Die Rituale. Und bei der Eingewöhnung sind die wirklich richtig, richtig wichtig! Zu einer guten Übergabe gehört ein sicheres Ritual. Wie das aussehen kann, liegt bei dir, deinem Kind und der Erzieherin. Sehr beliebt bei uns ist es, dass die Mama nochmal von außen zum Gruppenfenster läuft und winkt, oder einen Kuss gibt. Ein hochsensibles Kind weiß es auch sehr zu schätzen zu wissen, wann es abgeholt wird (z.B. nach dem Mittagessen).

 

6. Reden

 

Rede mit deinem Kind. Erfahre was es beschäftigt, wovor es Angst hat und wo es sich Hilfe wünscht. Und im besten Fall kannst du mit der Erzieherin zusammen überlegen, wie ihr dein Kind noch mehr unterstützen könnt.

 

7. Phasen

 

Die Eingewöhnung verläuft immer unterschiedlich. Es gibt Kinder, die kommen problemlos an und nach drei Wochen kippt die Situation und der Trennungsschmerz holt sie ein. Es gibt Kinder, die brauchen Wochen, um sich einigermaßen sicher zu fühlen, und es gibt Kinder, die haben anfangs einen sehr intensiven Trennungsschmerz und sind dann damit auch durch.

Die meisten hochsensiblen Kinder brauchen viel Zeit!

Sie vertrauen nicht sofort einem fremden Erwachsenen, sie fühlen sich in der großen Gruppe neuer Kinder nicht sicher und die vielen Räume und Möglichkeiten können sie überfordern. Eine Eingewöhnung erfordert daher von dir als Mama und der Erzieherin viel Geduld. Aber es lohnt sich! Ja, es ist anstrengend und manchmal frustrierend. Aber wenn diese Kinder angekommen sind, dann sind sie es meistens auch richtig. Sie werden tendenziell länger brauchen, um sich zu integrieren und frei und gelöst zu agieren. Das ist kein Drama! Sondern, so sind sie. Und ich glaube es hilft ihnen am Meisten, wenn wir sie so sein lassen können, wie sie sind.

 

8. Mach dir deine Entscheidung bewusst und handel danach

 

Wenn du dich entschieden hast, dein Kind in eine Kindertageseinrichtung zu geben, dann steh dazu. Vor dir und deinem Kind.

Bei all der Dramatik, die für viele Eltern hochsensibler Kinder in der Eingewöhnung steckt, möchte ich hier abschließend zu einem Perspektivwechsel einladen.

Dein Kind wird das schaffen! Ich habe noch KEIN hochsensibles Kind in den letzten zehn Jahren erlebt, dass emotional an der Eingewöhnung gescheitert wäre.

Es hängt so sehr von uns als Bezugspersonen ab, wie diese Zeit verläuft. Hochsensible Kinder sind eine Bereicherung! Und sie wachsen enorm an ihren Herausforderungen! Oft Langsamer, aber stetig. Wenn sie anfangen aufzutauen, wenn sie erste zarte Freundschaften knüpfen, wenn sie zum ersten Mal im Stuhlkreis mitspielen, oder sich eine wichtige Rolle zutrauen… sie wachsen und begeistern ganz häufig durch ihre Art, andere Kinder und die Erzieherinnen. Oft bekommen sie gerade im letzten Kindergartenjahr eine wichtige Rolle, als Führungsperson. Sie sind nicht aufdringlich, sondern gute Freunde, verfügen über viel Wissen und haben oft eine Vorbildfunktion.

 

Aus dem Kindergartenalltag:

 

Ein Mädchen bei mir in der Gruppe hat über ein Jahr gebraucht, um sich bei uns wohl zu fühlen. Sie hatte ganz klare Bezugspersonen für sich auserkoren und kommunizierte mit mir häufig nur über ihren Blick. Langsam begann sie Freundschaften zu einem ebenfalls, eher ruhigen Mädchen aufzubauen. Und durch sie gewann sie wieder etwas mehr Sicherheit. Der Mutter und uns war sehr bewusst, wie feinfühlig das Mädchen war, Druck zu keinem Ziel führte und sie generell Zeit brauchte, um sich sicher zu fühlen. Im zweiten Jahr entwickelten sich weitere Mädchenfreundschaften und sie taute immer mehr auf. Sie redete viel mit ihr vertrauten Menschen und wusste unglaublich viel, weil sie so genau beobachtete. Im dritten Jahr gehörte sie zu den  Schulanfängern und wurde zur Hauptansprechpartnerin für die Mädchen in unserer Gruppe. Sie zeigte uns nun auch ihre wilde und impulsive Seite und wir freuten uns jedes Mal 😉 Sie verließ die Einrichtung gefestigt und hatte mir unfassbar viel beigebracht. OBWOHL ihre Eingewöhnung tränenreich war, die Mama lange in der Gruppe dabei war und sie mich die ersten Wochen auf Schritt und Tritt verfolgte und kaum Ansätze machte, die Möglichkeiten in der Kita zu nutzen.

 

Ich glaube, wir können der inneren Kraft der Kinder vertrauen! Wir müssen keine Angst haben, dass sie kaputt gehen, weil sie Trennungsschmerz haben. Wir müssen ihnen beibringen damit umzugehen!

 

 

Kinder sind so bunt wie die Welt! Lassen wir uns von ihnen verzaubern.

 

Deine Verena