Ich freu mich so, denn wir starten direkt heute mit dem ersten Interview von Magdalena. Sie ist selbst hochsensibel und hat eine eher extrovertierte, hochsensible Tochter und ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für ihren Mut und ihre Offenheit bedanken, mir meine Fragen so authentisch beantwortet zu haben! Wenn ihr miteinander in Kontakt kommen möchtet, tut das einfach über die Kommentarfunktion! Ein Austausch wäre wunderbar.
Liebe Magdalena, stell dich und deine Tochter doch einmal kurz vor.
Meine Tochter Mia ( im März 3 ) ist eine sehr quirlige und wissbegierige kleine Maus, die ihr Herz auf der Zunge und im Gesicht trägt. Man sieht ihr an, wenn Sie etwas nicht mag oder nicht will und sie äußert es ganz direkt. Sie war bereits von Geburt an sehr klar, wusste, was sie will und was nicht. Sie reagiert sehr sensibel auf die Stimmungen anderer, ist aber insgesamt eher ein extrovertiertes HS Kind.
Ich werde im Juni 35 und bin seit 3 Jahren verheiratet. Auch ich bin HS und würde von mir behaupten, dass ich ebenfalls eher zu der extrovertierten Sorte gehöre. Nach außen wirke ich recht selbstbewusst und stark (sagt man mir nach), innerlich sieht das ja oft anders aus. Ich bin ein absoluter Bauchmensch und reflektiere sehr viel. Wie bei meiner Tochter, kann man auch bei mir so ziemlich alles im Gesicht ablesen.
Was ist dir an deiner Tochter schon immer besonders aufgefallen?
Bereits als Neugeborenes Baby hat sie die Menschen direkt angeschaut, hatte einen wissenden Blick und hat ihre Umwelt sehr ausgiebig beobachtet. Sie ist ein kleiner Perfektionist und sehr selbstbewusst.
Wie bist du auf das Thema HS gestoßen?
Im Grunde durch meine Tochter. Mir ist aufgefallen, dass sie keine Veränderungen mag, was sich schon in sehr ausgeprägter Form äußerte. Mich hat es zunächst stutzig gemacht und auch verunsichert. Sofort kommen einem Begriffe, wie ADHS oder Autismus in den Sinn. Durch die Recherche im Internet bin ich schließlich auf dieses Thema gestoßen und es machte plötzlich sehr vieles Sinn. Auch bei mir selbst.
Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal darüber gelesen hast?
Erleichtert! Wir sind doch nicht verrückt, schrullig oder merkwürdig.
Wo hast du dich informiert und wie ging es dir dabei? Gerade die Extrovertiertheit von hochsensiblen Kindern ist einem oft nicht so bewusst, wie erging es dir damit?
Zunächst habe ich viel gegoogelt, Foren und Blogs gelesen, dann habe ich mir 3 Bücher bestellt. Tatsächlich gehen die meisten Bücher eher auf die introvertierte Variante ein, dort erkenne ich uns nicht überall wieder. Dennoch konnte ich vieles, hilfreiches für uns herausziehen.In den Facebook Gruppen findet man auch recht viele hilfreiche Tipps.
Was hat sich für dich im Umgang mit deinem Kind verändert, seitdem du über Hochsensibilität bescheid weißt?
Ein grundlegend anderes Verständnis für meine Tochter und auch für mich. Dadurch haben sich viele Situationen ganz einfach entspannt. Ich gehe heute gelassener mir Situationen um, weil ich inzwischen verstehe, was dahintersteckt.
Hast du dein Umfeld an deinen neuen Sichtweisen teilhaben lassen und wie hat es reagiert?
In der ersten Euphorie habe ich sehr viel darüber gesprochen. Leider habe ich schnell gemerkt, dass das nicht alle so schlüssig finden. Viele nehmen es nickend zur Kenntnis und es schwingt so ein leichtes …..tja…..Belächeln mit. Es wird oft als Modebegriff hingestellt und mir ist schon zu Ohren gekommen, dass es eine Ausrede sei. In einem der Bücher wurde auch darauf hingewiesen, dass man es lieber nicht so offen kommunizieren sollte, da nicht jeder dafür ein offenes Ohr hat. Ich bin inzwischen der selben Meinung.
Wie gehst du mit dem Thema in der Öffentlichkeit um z.B. in der Kita oder Schule?
Bisher gab es keinen Anlass darüber zu sprechen. Meine Tochter ist aktuell in der Krippe und bestens eingewöhnt. Insgesamt kann sie sich dort super durchsetzen und für sich einstehen.
Denkst du, es ist wichtig, dass man als Mama weiß, dass das eigene Kind HS ist?
Absolut. Besonders, was das Thema Überreizung angeht. Meine Tochter gehört zu den Kindern, die zunächst sehr interessiert auf Reize reagiert. Es macht ihr Spaß und ich würde ihre anschließende Unruhe im Leben nicht darauf zurückführen, wenn ich nichts von ihrer HS wüsste. So weiß ich, dass ich ihr Pausen einrichten muss, auch wenn sie diese selber eher nicht einfordern würde.
Welche Herausforderungen empfindest du als Mama mit einem hochsensiblen Kind als besonders?
Man fällt schon sehr häufig aus dem Rahmen, fällt oft auf und für mich ist es einfach nervig zu erklären, warum mein Kind da jetzt z.B grad nicht mitmachen will oder nicht jeden sofort überschwänglich begrüßt. Es gilt viele Dinge zu beachten. Das der Flaschendeckel beispielsweise farblich zur Flasche passen muss….usw. Die Menschen reagieren oft kopfschüttelnd. Da meine Tochter ein Schreibaby war, ist auch das ein sehr anstrengendes Thema gewesen.
Was hast du von deiner Tochter gelernt?
Geduld und Rücksicht.
Was verzaubert dich an deiner Tochter?
Ihre grenzenlose Phantasie und ihre unschuldige Art zu denken und zu fühlen. Und ihr Lächeln.
Du hast mir geschrieben, dass dein Mann nicht hochsensibel ist. Stellt euch das manchmal vor Herausforderungen?
Aktuell sogar vor eine Krise, um ehrlich zu sein. Ich hinterfrage inzwischen tatsächlich unsere Ehe massiv. Denn seit der Geburt meiner Tochter, habe ich mich sehr verändert und auch weiterentwickelt. Davor war ich ein sehr taffer starker und eigenständiger Mensch. Meine Tochter hat mich sehr schwach gemacht (nicht negativ). Durch sie sind jedoch viele Defizite in unserer Partnerschaft ans Tageslicht gekommen, die zuvor auf anderen Wegen kompensiert wurden. Was ich zuvor allein konnte, da benötige ich inzwischen die Hilfe und Unterstützung meines Mannes. Hier tun sich jedoch Abgründe auf. Ich komme mit dieser Situation schlecht zurecht, angewiesen zu sein und mein Mann hält sich aus allem raus. Er hat mit diesen zwischenmenschlichen Dingen sehr wenig am Hut und das fällt seit der Geburt meiner Tochter extrem auf.
Du selbst bist hochsensibel. Was bedeutet das für dich und den Alltag mit deiner Familie?
Ich würde sagen, ich bin kein einfacher Mensch. Ich bin leider oft sehr angespannt, kann auf Grund dessen nicht immer aus mir raus und bin oft so dermaßen gedankenbelastet, dass ich dadurch nicht genießen kann. Achtlose Äußerungen beschäftigen mich oft viel zu lang und unnötig. Ich denke, dass sich meine melancholische Art hier oft auf unser Miteinander niederschlägt. Gern wäre ich etwas gelassener und unbeschwerter. Ich bin recht wenig belastbar, schnell erschöpft und dann auch rasch an meinen Grenzen. Leider bringe ich mich durch meinen Perfektionismus und meine Detailverliebtheit sehr oft selbst in diese Lage. Ich möchte alles richtig machen und setze mich dadurch selber stark unter Druck. Ich bin insgesamt sehr streng mit mir selbst. Dennoch bin ich ein guter Ratgeber und Zuhörer, verstehe Spaß, bin recht spontan und kreativ.
Magdalenas Literaturtipps:
Das hochsensible Kind: Wie Sie auf die besonderen Schwächen und Bedürfnisse Ihres Kindes eingehen
Das fand ich am Besten
Am Montag geht es mit dem nächsten Interview weiter!