„Das Leben kommt von vorn.“

„Nein, es verarscht dich von hinten.“

 

 

Dieses erhellende Gespräch führte ich mit einer meiner Weggefährtinnen, als wir mit Radler bewaffnet uns auf den Weg in die Innenstadt machten. Der Tag war lang und anstrengend gewesen und leer. Ich war leer, mein Leben fühlte sich (mal wieder) leer an und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich hasse dieses Gefühl und ich halte es nicht gerne aus. Vor zwei Wochen war alles noch so gut gewesen! Drei Tage Schweigeretreat hatten mich zu einem anderen Menschen gemacht, hatten Mauern eingerissen und mein Kern fühlte sich strahlend und golden an. Doch ich verlor dieses Gefühl von Tag zu Tag mehr und saß irgendwann wieder in meinem fetten Lebensdrama.

 

Ich unterschreibe beide Sätze. Ja, das Leben kommt von vorn, wir können es uns nicht herbei ziehen, sondern müssen lernen mit dem Fluss zu schwimmen. Aber an diesen bitteren Tagen, da fühlt es sich so an, als würde es mir lachend das Messer in den Rücken rammen. Und zwar immer wieder erfolgreich auf dieselbe Stelle. Und ich hab es so satt, mich so zu fühlen. Ich will doch die Leichtigkeit und die Freude und den Mut und raus aus der Komfortzone und dennoch fühl ich mich wie das Vögelchen, das in seinem Käfig sitzt und die offene Türe hypnotisiert, aber zuviel Schiss hat herauszufliegen.

 

Ich kann verdammt diszipliniert sein, meinen Körper zum Bouldern zwingen, einfach weil mein Wille es will… schreiben, mich um alles kümmern, was auf meiner To Do Liste steht und irgendwann merke ich dann, es war zu viel. Der Wille wollte zuviel und hat vergessen auf den Körper und die Seele zu achten. Die Konsequenz war dieses Wochenende eine Erschöpfung, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe. Nach elf Stunden Schlaf viel mir das Aufstehen trotzdem schwer, denn eigentlich wollte mein Körper nur weiter schlafen. Ich wollte vieles und lag im Endeffekt stundenlang auf meinem Sofa oder saß auf dem Balkon. Konnte nichts mehr tun, außer mich schwach und leer fühlen. Und immer wieder dieselben Fragen in meinem Kopf.

 

Warum kann ich nicht einfach glücklich sein? Warum kann ich nicht einfach einen Job finden, bei dem ich zufrieden sein kann? Warum sind Beziehungen und Bindungen zu Menschen und insbesondere zu Männern, bei mir nur so kompliziert? Wie kann ich diese Gefühl von Getrieben sein in Ruhe verwandeln? Wo ist die Herzlichkeit der Menschen hin? Und wieso schreit in mir alles immer nur nach „mehr“, während ich gleichzeitig immer wieder gegen die gleichen Mauern pralle. Mauern in meinem Kopf, die mich daran hindern mich zu zeigen und mein Leben zu leben.

 

Diese Tage sind lang und zehrend, doch sie führen auch immer zu einem Endpunkt. Irgendwann ruft mich das Draußen, ich laufe barfuß über warmen Asphalt und sitze still neben meinem Lieblingsbaum, auf dem Hügel, von dem man auf meinen Kindheitsspielplatz blicken kann. Auf dem Hügel, wo ich wunderbare nächtliche Momente mit meinem verstorbenen Hund, dem Mond und den Sternen verbrachte und die ganze Welt zu mir zu sprechen schien. Es ist so leicht in der Natur, mit den Tieren, den Bäumen und Steinen. Und auch mit Kindern ist es leicht, denn sie sind pur und rein und sie brauchen nicht nur die gesprochene Sprache um zu reden und zu verstehen. Aber die Erwachsenen und die Erwachsenenwelt… die scheint mir manchmal so fremd und ich nicht dazugehörig. Wie kann ich einen Weg finden, wenn ich so oft gar kein Teil des „Normalen“ bin? Zu viele Fragen in meinem Kopf… aber auf der Wiese neben meinem Baum, da finde ich die Ruhe in mir, die Stille und die Verbundenheit und das Strahlen.

 

 

Dieses Strahlen, dass mir selbst ganz lange nicht bewusst war, auch wenn mir immer wieder Menschen davon erzählten. Ich fühlte mich nicht strahlend, ich fühlte mich klein und unsichtbar. Und das hat mir in der Schulzeit mein Leben „gerettet“. So hab ich mich in Sicherheit gebracht, vor Demütigung und Scham und Angst. Und mit 33 muss ich in Babyschritten lernen dieses Strahlen nach außen zu zeigen, mich zu zeigen, mich zu trauen sichtbar zu werden. Beim Abschluss des Schweigeretreats zog ich die Sonne. Ausgerechnet ich?! Ich bin die erste, die vor der Sonne in den Schatten flüchtet und sofort Kopfschmerzen bekommt. Ich hasse den Sommer, denn er ist mir zu heiß und ich halte ihn fast nicht aus. Ich war immer der Mond, die Nacht, die Kühle, die Einsamkeit und die Dunkelheit. Damit kann ich mich identifizieren. Und jetzt… die Sonne… Doch an diesem Tag, nach diesen Tagen der Innenschau und der Stille, da fühlte sich die Sonne auf einmal richtig an. Ich darf strahlen und mich zeigen. Ich darf dieses goldene Licht, dass mich schon lange begleitet, scheinen lassen. Muss es nicht verstecken und es unsichtbar machen. Es klingt so banal, aber für mich bedeutete es die Welt. Als sich mein Exfreund vor einem Jahr von mir trennte, auf dieser Bank im Wald und mein Leben, meine Zukunftsvorstellungen zerbrachen… da badete ich trotz des Schmerzes in diesem goldenen Licht und war so behütet, geliebt und verbunden, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Spirits sind immer da, Mutter Erde trägt uns unentwegt und wenn wir anfangen mit unseren anderen Sinnen zu hören, dann können wir mit den Bäumen sprechen und mit Kindern reden, einfach indem wir unsere Energien benutzen. Und ja, das klingt total esoterisch… aber ich erlebe das in meiner Wahrnehmung genau so. Und je mehr ich verbunden bin, mit mir und dem großen Ganzen, um so mehr kann ich mein Licht scheinen lassen und andere damit berühren.

 

Als wir schweigend durch den Schwarzwald wanderten, schweigend in den Wiesen saßen und den Ausblick genossen, mit verbunden Augen das Gras unter unseren Füßen spürten und das Schnaufen der Kühe bis in jeder Pore des Köpers spürbar war, da begann alles zu fließen… ich sah die Kräuter am Wegesrand, die soviel zu geben hatten, ich sah den Bussard über uns kreisen mit dem meine Seele schon so oft tanzte, ich sah in die wachen Augen der anderen und spürte sie, ohne mit ihnen sprechen zu müssen, jeder Schritt brachte mich mehr in den Moment zurück, mehr zu mir, mehr ins Jetzt. Ich ließ meine Hände durch das hohe Gras gleiten, Blüten unter meinen Fingerspitzen und Abendsonne in meinem Gesicht. Ich war lebendig, und so offen, wie es eigentlich richtig ist. So offen, wie wir sind, wenn wir wirklich wir sind und der Kopf endlich mal Ruhe gibt. Und dann beginnen wir plötzlich zu hören, zu lauschen und zu verstehen.

 

Mein Strahlen…. meine Medizin… das ist das Schreiben. Ich schreibe schon immer und das Schreiben das ruft mich. Ich schreibe nicht nur weil es mir Spaß macht, nein ich schreibe, weil es mich mein Leben lang ruft. Ich muss das Tun, ich bin getrieben es zu tun, es geht gar nicht anders. Das ist kein Hobby, das ist das, wozu ich hier bin. Manchmal ist es so schmerzhaft, dass ich tränenüberströmt am Laptop sitze und Texte schreibe, ohne zu wissen, was ich tue… manchmal über Jahre diszipliniert bis ein Roman beendet ist… und seit Oktober schreibe ich hier. Für die Kinder.

 

 

Weil ich weiß, wie es ist als hochsensibles Kind die Welt und sich selbst verstehen zu wollen und daran zu scheitern. So sehr daran zu scheitern, dass irgendwann keine andere Möglichkeit mehr bleibt außer sich zu verstecken und anzupassen. Und genau das möchte ich nicht! Ich möchte, dass diese Kinder gesehen werden. Gesehen mit offenem, liebevollen Herzen! Alles andere ist gar nicht so wichtig!

 

Doch ich merke, dass mir die Luft ausgeht. Dass mich das Arbeiten aufsaugt und immer weniger Kopf und Energie für „bunte Kinder“ bleibt und ich im Moment auch gar nicht so genau weiß, wie ich weiter machen soll. Ich habe das alles als Business geplant und scheitere ehrlich gesagt. Ich investiere sehr, sehr viel Zeit, aber kann (noch) nicht viel finanziell daraus schöpfen. Anstatt zu schreiben, versuche ich taktisch sinnvoll vorzugehen und verliere dadurch den Flow und den Spirit. Und aus diesem Grund werde ich und muss ich etwas verändern.

 

Ich bin eine junge Frau, die nicht weiß, wo genau sie hingehört. Ich weiß nicht genau was ich will, ich habe Angst vor dem Unbekannten und keine Angst mich in schamanischen Reisen zerstückeln zu lassen. Ich strauchle in seltsame Beziehungen, kenne den Liebeskummer wie meinen besten Freund, weiß wie es ist vor Schmerz und Trauer zerrissen zu werden und vor Glück barfuß im Leben zu tanzen. Ich schaue den anderen dabei zu, wie sie heiraten und Kinder kriegen und habe das Gefühl, dass ich das niemals erreichen werde. Aber dann frage ich mich, ob ich das überhaupt will? Ich hinterfrage die Dinge, die wir lernen, weil sie uns unsere Eltern und die Gesellschaft vorgeben. Wie sollen Beziehungen aussehen? Wie ein Zusammenleben? Muss ich den Rest meines Lebens den gleichen Job machen? Ist Sicherheit, wie Rente und Versicherungen wirklich so wichtig? Wieso haben es manche Menschen so leicht und ich arbeite mich schier zu Tode an meinen Themen und bin doch immer alleine? Wieso habe ich so viel Angst vor den Menschen und doch irgendwie so gar nicht? Wo will ich sein in zehn Jahren? Wie will ich leben?

 

Ich bin mir sicher, ich bin die nicht die Einzige?

 

Zu bunt

Zu viel

zu sehr auf der Suche nach mehr

zu getrieben

zu verletzlich

zu offen

zu anders

 

Und darüber möchte ich mehr schreiben. Über die getriebenen Frauen, auf der Suche nach sich selbst und ihrer Heimat. Auf dem Weg die alten Muster aufzulösen und das innere Kind in den Arm zu nehmen… auf dem Weg sich von den Erwartungen anderer zu lösen, um dem Ruf des Herzens zu folgen.. mit dem Mut sich verletzlich zu machen, weil Offenheit und das JA im Inneren viel mehr zählt!

 

Deswegen wird es auf bunte Kinder nicht mehr nur um Kinder gehen. Sondern auch im mich, um euch. Um die hochsensiblen Seelen, die als Kinder nicht erkannt wurden und erst im Erwachsenenalter anfangen sich selbst zu heilen.

 

 

Natürlich bleibt mein Schwerpunkt bei den hochsensiblen Kindern und ich plane gerade ein kleines E-Book zur Unterstützung in der Eingewöhnungszeit. Ich möchte genau das tun. Darüber schreiben und im Besten Fall damit ein klein bisschen dazu verdienen, damit ich die Kosten für den Blog decken kann und sich meine Arbeit auch ein bisschen auszahlt. Aber was ich schreibe soll aus meinem Herzen kommen und nicht aus dem Gefühl heraus, dass ich das „muss“. Ich will spüren, was sich gerade zeigen will und meiner weiblichen Intuition Raum geben, sich hier auszubreiten. Ich will mich anfangen zu zeigen, auch hier. Nicht nur mit meinem Wissen, sondern mit dem wie ich bin, mit meinen Ängsten und Freuden und den Herausforderungen mit denen ich als hochsensible Frau konfrontiert bin. Ich will mich zeigen mit meinen Extremen und die auch leben. Kein Verstecken mehr.

 

Ich bin golden…

 

Und jeder einzelne von euch auch…

 

Wenn wir anfangen Menschen zu „sehen“… öffnen wir uns für ihr wahres Licht unter all den Schutzschichten… und erst dann können wir erkennen, wie wundervoll sie sind und sie dabei begleiten IHREN eigenen Weg zu gehen.

 

Ich widme diesen Artikel den drei Frauen, die mich so voller Liebe, Geduld und Hingabe auf meinem Weg begleiten und die mich besser kennen, als jeder andere.

 

Eva, Iva, Maike

 

Danke