Ich freu mich so! Denn es geht immer noch weiter mit der Interviewreihe und heute stellt sich Isabel mit ihrer Tochter vor, die auf ihrem Blog “Fräulein Kassandra” über ihr Familienleben bloggt.
Liebe Isabel, stell dich und deine Tochter doch einmal kurz vor.
Wir zwei, das sind ein lustiges Mama-Tochter-Gespann, das gerne verreist, leckeres Essen zubereitet, bastelt und das Leben genießt. Wir leben artgerecht, authentisch und frei und für uns zählen die Bedürfnisse des Einzelnen mehr als gesellschaftliche Zwänge und Normen. Ich hinterfrage liebend gern gut gemeinte Ratschläge und versuche das manchmal schwierige Verhalten meiner Tochter evolutionsbiologisch zu erklären und dort eine Antwort zu finden, die es mir erleichtert, die Schwierigkeiten des Alltags so anzunehmen wie sie sind und das Beste daraus zu machen. Das empfinde ich mit einem bedürfnis- und gefühlsstarken und dazu noch sehr sensiblen Kind nicht immer ganz einfach und das ist für mich eine große Herausforderung.
Wir lassen uns allerdings durch unseren schwierigen Start nach der Geburt nicht unterkriegen. Ebenso wenig durch schlaflose Nächte und die Tatsache, dass meine Tochter auch über das erste Jahr hinaus ein sogenanntes ‚Schreibaby’ war. Darüber und über viele andere Themen schreibe ich auf meinem Blog Fräulein Kassandra (http://www.fraeuleinkassandra.blog), der für mich ein guter Ausgleich darstellt und mir Reflexion ermöglicht.
Was ist dir an deiner Tochter schon immer besonders aufgefallen?
Sie war schon immer ein wenig anders als die anderen Babys im Rückbildungskurs, der Krabbelspielgruppe und beim Babymassagekurs. Sie ließ sich ungern ablegen, hat immer noch große Schwierigkeiten in den Schlaf zu finden und fordert im Alltag recht viel Begleitung ein.
Wie bist du auf das Thema HS gestoßen?
Durch eine liebe Freundin, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich selbst vielleicht hochsensibel sein könnte und somit auch die Möglichkeit besteht, dass meine Tochter ebenfalls die Gabe hat, Dinge empfindsamer wahrzunehmen und zu spüren.
Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal darüber gelesen hast?
Ich war sehr erleichtert, dass das anscheinend gar nicht so unnormal ist und total erklärbar. Manche Babys und Kinder sind besonders empfindsam. Dass das per se nichts schlechtes ist, obwohl das diesen besonderen Kindern gerne mal zugeschrieben wird, weil es nicht immer zur schnelllebigen Gesellschaft passt, war mir zwar vorher schon irgendwie bewusst, aber es hat mir ein gutes Gefühl gegeben endlich auch etwas darüber erfahren zu haben. Zeitgleich hat diese Entdeckung bei mir große Ängste geweckt und ich frage mich auch heute noch sehr oft, ob die empfindsamen Kinder, die die sensiblen Erwachsenen von morgen sind, unserer heutigen Gesellschaft standhalten können.
Wo hast du dich informiert?
Ich habe hauptsächlich im Internet gelesen und recherchiert und mich mit meiner Freundin, deren Töchter bereits älter sind, ausgetauscht. Ich folge einigen Blogs, die das Thema Hochsensibilität aufgreifen und kann mich dort häufig wiederfinden und mit den Familien identifizieren.
Was hat sich für dich im Umgang mit deinem Kind verändert, seitdem du über Hochsensibilität bescheid weißt?
Eigentlich nicht viel. Ich habe schon immer Verständnis dafür gehabt, dass meine Tochter Reize extremer wahrnimmt als andere Babys, dass sie auch jetzt im Kleinkindalter immer noch viel getragen werden möchte, dass ein Haar oder ein Brösel zwischen den Fingern wirklich so sehr stören kann, dass für einen Augenblick nichts mehr anderes geht und vieles mehr. Trotzdem gibt mir das neue Wissen ein Stück weit mehr Sicherheit.
Hast du dein Umfeld an deinen neuen Sichtweisen teilhaben lassen und wie hat es reagiert?
Wir bewegen uns in einer sehr gemischten Blase. Von sehr bedürfnisorientiert lebenden Familien über unerzogene Eltern und deren Kinder bis hin zu stark Erziehenden aus dem autoritären Lager ist alles dabei. Vielfalt bietet Chancen und meine Aufgaben ist es, mein Kind und seine Bedürfnisse so gut es geht zu schützen und zu begleiten. Ich halte wenig davon, Kinder zu ‚labeln’ und alle Menschen in unserem Umfeld daran teilhaben zu lassen, wie empfindsam unser Kind ist. Denn das macht auch verletzlich und kann dazu führen, dass andere ihr nicht mehr unvoreingenommen begegnen. Obgleich es für mich selbst wichtig ist, was hinter dem Verhalten meiner Tochter steckt.
Wie gehst du mit dem Thema in der Öffentlichkeit um z.B. in der Kita oder Schule?
Wir leben kindergartenfrei und möchten das vorerst auch beibehalten. Ob ich später offen auf eine Erzieherin oder einen Lehrer damit zugehe weiß ich noch nicht und wird vermutlich davon abhängen, wie meine Tochter zurechtkommt.
Denkst du, es ist wichtig, dass man als Mama weiß, dass das eigene Kind HS ist?
Ja, sehr sogar. Mir hilft es das Tun und Handeln meiner Tochter besser zu verstehen und oft erinnere ich mich dann an Situationen aus meiner eigenen Kindheit oder frage mich, ob ich ebenfalls so verständnisvoll behandelt worden bin oder eher mal durch die ein oder andere Unwägbarkeit einfach durch musste. Ich habe daher umso mehr Verständnis für mein Kind und dafür, dass jeder Mensch anders empfindsam reagiert.
Welche Herausforderungen empfindest du als Mama mit einem hochsensiblen Kind als besonders?
Die Bedürfnisse von uns allen unter einen Hut zu bringen und zu vereinen.
Was hast du von deiner Tochter gelernt?
Geduld und das Verständnis für Vielfalt. Und vor allem, dass sensible Antennen eine absolute Bereicherung sind – in jeder Hinsicht.
Was verzaubert dich an deiner Tochter?
Sie ist mein Mädchen mit „heart & cleverness“. Sie ist aufmerksam, sensibel und empfindsam. Rücksichtsvoll und zugleich bestrebt ihr Interesse nicht aus den Augen zu verlieren. Sie weiß genau was sie will, was sie mag und was sie stört. Von dem großen Selbstvertrauen dieses kleinen Menschen bin ich wahnsinnig fasziniert.
Du hast einen eigenen Blog! Möchtest du den hier kurz vorstellen
Sehr gerne. Was anfangs eher ein Tagebuch und ein Ort für mich selbst war ist mittlerweile der Blog ‚Fräulein Kassandra’. Bei uns findet sich alles rund ums Familienleben, windelfreies Aufwachsen von Babys und Kindern, vegane und fleischige Gerichte, Buchrezensionen sowie meine Herzensthemen zum bindungsorientierten Elternsein und dem Begleiten von Kindern auf Augenhöhe.